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Wegen der Vergesslichkeit und wegen der anderen

Jetzt sind fast alle Tagesgäste an diesem Mittwoch versammelt (v.l.n.r.): Peter, Robert, Armin, Gitta, Herbert, Erwin und Wolfi. Nur Hildegard fehlt noch.

Betreuerin Eva-Maria bietet das bereits von der Montagsgruppe gebackene und gesegnete Agathabrot zum Probieren an.

Gerontopsychiatrische Tagesbetreuung Keltengasse

 

NÜZIDERS – Armin* sagt, er sei wegen seiner „Vergesslichkeit“ hier. So wie die meisten anderen Tagesgäste in der gerontopsychiatrischen Tagesbetreuung, die seit einem halben Jahr montags, mittwochs und donnerstags in der Wohnanlage Keltengasse stattfindet. Sie kommen aber auch wegen der „Unterhaltung“ und „weil die Frau zuhause mal Pause braucht“ und „natürlich wegen der anderen“. 

 

Wache, lachende Augen und gute Stimmung am Frühstückstisch: Gitta fühlt sich sichtlich wohl in der Männerrunde zwischen „Wolfi“ (Wolfgang), der als ehemaliger LKW-Fahrer immer was zu erzählen hat, Peter, dem eher Ruhigerem, und Armin, der sich gut mit den Bergen rund um die Wohnanlage Keltengasse auskennt. Nach und nach trudeln auch die anderen ein: Herbert, der früher Fotograf war, der stattliche Robert und Erwin, sportlich im Trainingsanzug. Zuletzt Hildegard, die mit dem Fahrrad gekommen ist und eigentlich keine Zeit hat, aber aus Interesse am heutigen Thema Lichtmess (2. Februar) mit anschließendem Brotbacken anlässlich der heiligen Agatha (5. Februar) trotzdem bleibt. Die Gruppe kennt sich schon lange, schon aus der Tagesbetreuung der aks (Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin) in Bürs. Jeder einzelne wird herzlich begrüßt, bis alle am Tisch versammelt sind. 

 

Von den Schneeglöckchen spontan zu Heintje

 

In der offenen Küche hinter ihnen werkelt Alltagsmanagerin Luciana. Sie hat ein Ohr für alle, die kurz bei ihr vorbeischauen, einen Kaffee holen oder einen Teller abstellen und ist für jeden Spaß zu haben. Kurz nach zehn wird der Frühstückstisch aufgelöst: Die einen gehen auf den Balkon, die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen genießen oder rauchen, andere helfen den Betreuerinnen Eva-Maria und Marion, die Stühle für einen Sitzkreis bereitzustellen. „Wir versuchen, die Leute so gut wie möglich in alle Tätigkeiten einzubeziehen“, erklärt Eva-Maria. Dann moderiert Marion das Thema Lichtmess, berichtet, fragt, zeigt und reicht Verschiedenes zum Thema ‚Licht‘ und ‚neues Leben‘ herum, darunter auch eine Birkenrinde, die es zunächst als solche zu erkennen gilt und die bei einigen Erinnerungen wachruft. Eva-Maria möchte jetzt „Das Schneeglöckchen“ von Christian Andersen vorlesen. Da Wolfi bei diesem Titel sofort ein Song von Heintje in den Sinn kommt, summt er ihn, bis andere einstimmen, Luciana den Text recherchiert und dann alle gemeinsam singen. 

 

Reden, fühlen, riechen, probieren, mitmachen

 

Nach dem Vorlesen geht es um das Arrangement auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Sitzkreises: ein Glas mit Getreide, eine Kornmühle, Gewürze, Brot. Die Bewohner diskutieren bäuerliche Bräuche rund um das Agathabrot, riechen an den Gewürzen, befühlen das Korn und probieren von dem bereits gebackenen und gesegneten Brot. „Heute backen wir das Agathabrot nochmal frisch“, kündigt Eva-Maria an. Eva-Maria erklärt Wolfi, wie die Kornmühle funktioniert und ermuntert ihn: „Probier doch mal!“ Luciana bespricht mit Herbert und Erwin das Rezept fürs Agathabrot. Der Tag ist in vollem Gange – und jeder nach den eigenen Wünschen involviert.  

 

*Da sich alle in der Tagesbetreuung Keltengasse duzen, werden auch im Text nur die Vornamen der Beteiligten verwendet. 

 

Text/Fotos: Elke Benicke